Mountainbiken mit den Pros beim Womens Pro Camp in Davos
«Da will ich dabei sein»
«Da will ich dabei sein.» Das ist mein erster Gedanke, als ich im November 2017 erfahre, dass fiedler concepts ein Womens Pro Camp anbietet! Mein zweiter «Das ist nicht meine Liga». Denn auch wenn ich nebenberuflich selber als Mountainbike Guide und Fahrtechnik-Coach arbeite – von «Pro» bin ich weit entfernt. In der Beschreibung «schneller auf den Trails unterwegs sein, Tables springen» finde ich mich dann aber doch wieder und melde mich an. Denn genau das möchte ich lernen!
Tag 1 // Donnerstag: Ein männlicher Teilnehmer mischt sich unter uns – Herr Regen, dieser Schlingel!!
Davos begrüsst uns mit Sonnenschein. Nachdem Monika Fiedler und Sabrina Weiss von fiedler concepts uns das Programm auf der Terrasse des Hotel Grischa vorgestellt haben während wir uns bei einem Mittagssnack stärken, teilen wir uns selber in Gruppen ein. Zur Wahl stehen eine schnelle, eine ganz schnelle und eine noch schnellere Gruppe. Ich entscheide mich für die ganz schnelle Gruppe. Die goldene Mitte scheint auch für viele andere eine gute Wahl zu sein – jedenfalls sind wir die grösste Gruppe. Auch wenn wir keine anstrengenden Höhenmeter bewältigen müssen – das erledigt die Rinerhornbahn für uns – dauert es bei unserer Gruppengrösse und der Bahn, die nur ein Rad pro Gondel mitnimmt, bis wir auf unserem ersten Trail sind... Auch auf dem Trail ist von «ganz schnell» noch nicht viel zu spüren. Ein männlicher Teilnehmer hat sich unter uns gemischt - dieser Schlingel! Herr Regen verunsichert die ein oder andere Fahrerin, sodass sich die Gruppe ganz schön auseinanderzieht und kein so rechter Fahrfluss aufkommen mag. In Sertig-Döerfli sammeln wir uns alle wieder und fahren über einen feinen Trail mit fiesen Gegenanstiegen zurück nach Davos in Richtung Abendessen. Doch davor steht noch ein (freiwilliger) Punkt auf dem Programm: «Workout». Es entpuppt sich als sanfte Mobilisations- und Stretchingeinheit – perfekt! Und so wohltuend. Obwohl ich das weiss, ist es etwas, das ich viel zu selten nach Touren mache… Mein Vorsatz, mir dafür künftig ein paar Minuten zu nehmen, ist gefasst.
«Racing as an excuse for traveling»
Um Punkt 19:00 stehen meine Zimmergenossin Katharina und ich frisch geduscht im Restaurant. An den beiden langen Tafeln an denen die anderen Teilnehmerinnen sitzen, ist kein Platz mehr frei… Also eröffnen wir zu zweit einen neuen Sechsertisch. Keinen Platz an der Tafel bekommen zu haben, erweist sich schnell als Glücksfall für uns: Anka Martin, und Tanja Naber – beide Juliana Bicycles Ambassadors (die Schwestermarke von Santa Cruz speziell für Frauen) – setzen sich zu uns an den Tisch!
Anka berichtet von ihrer Fahrt nach Davos – wie schön sie die Schweizer Berglandschaft findet, wie langsam sie in ihrem Van auf den Passstrassen vorankam und immer wieder mal rechts ran fuhr um schnellere Fahrer vorbeizulassen und wie sie an der Grenze dem Beamten versucht hat, ihre Herkunft zu erklären – als Südafrikanerin mit US-amerikanischem Pass, die in Neuseeland lebt und einige Monate im Jahr auch in Europa verbringt, gar nicht so einfach. Ausserdem unterhalten wir uns noch über die unterschiedliche Wahrnehmung der Marke Santa Cruz in Deutschland und den USA – hier Premium, dort eher Masse.
Nach dem Dessert halten Tanja und Anka noch inspirierende Vorträge. Von Tanja Naber erfahren wir, wie es ist, Enduro Rennen zu fahren – wie sie sich darauf vorbereitet, welche Informationen sie vorab erhält, was sie in ihrem Hip Bag dabeihat und dass sie sich nach einem Rennen in Kälte und Regen durchaus mal fragt, warum sie das macht. Fun Fact: ihr erstes Rennen 2016 war Ankas letztes Rennen. Und Anka erzählt, wie sie vom Downhill zur Enduro World Series gekommen ist. Anfangs wollte sie einfach nur Mountainbiken – dafür machte sie «shitty jobs». Viel zum Leben brauchte sich für ihren einfachen Lebensstil nicht und das Rennenfahren sah sieh vor allem als tolle Gelegenheit, die Welt zu sehen. Als Juliana-Markenbotschafterin kommt sie auch nach ihrer Rennkarriere viel rum.
Tag 2 // Freitag: Gleich die allererste Kurve bremst mich ein.
Neues probiere ich gerne aus – heute ist es ein neues Radl, und zwar ein Remedy von TREK. Mit meinem Liteville 301 bin ich sehr zufrieden, aber ich finde es auch interessant, mal ein anderes Mountainbike zu fahren. Bevor es losgeht wird unsere grosse Gruppe nochmals geteilt, damit wir heute schneller auf den Trails unterwegs sein können. Ich freue mich so darauf, dass ich mich auf der ersten Abfahrt in der allerersten Kurve gleich hinlege… Es ist kein schlimmer Sturz – ich vermute, dass ich einfach falsch gebremst und das Vorderrad nicht genug belastet habe. Vielleicht trägt auch die ungewohnte – und wie ich dann feststelle – auch nicht entlüftete Bremse (eine Guide von SRAM) ihren kleinen Teil dazu bei. Fest steht: der Sturz ist ein Dämpfer für mich. Ich hole mein eigenes Bike und fahre für den Rest des Tages langsam.
Ich habe eine solide Fahrtechnik und fahre «sauber». Aber eben auch immer innerhalb meiner Comfort Zone. Speed ist (noch) nicht meins. Genau deshalb bin ich hier in Davos auf dem Womens Pro Camp. Von daher ist es schade, dass mich der Sturz so «einbremst». Ich versuche das Beste draus zu machen und nehme das Angebot der Guides mehrfach wahr: mal fahre Moni, mal Ines und mal Franzi hinterher. Das klappt gut – weil sie immer wieder einen Blick zurückwerfen und ihre Geschwindigkeit reduzieren, wenn ich zu weit zurückbleibe. Mir hilft es sehr, ihre Linien zu sehen. Denn vor lauter Konzentration auf die Geschwindigkeit hätte ich so einige Wellen und Steine übersehen, die die Fahrerin vor mir so spielerisch und selbstverständlich mitnimmt.
Nach den Trails ist noch Zeit für eine kleine Pumptrack Session – das macht mir persönlich viel Spass! Nachdem ich den ganzen Tag eher zurückhaltend gefahren bin, läuft es bei mir nach ein paar Runden – ich finde in den Flow zurück, der mir zu Tagesbeginn abhandengekommen ist.
Tag 3 // Samstag: Übungs-Session, Picknick mit Aussicht und Abendessen auf der Hütte – so könnte von mir aus jedes Wochenende starten!
Heute wollen wir die Morgenstimmung am Berg geniessen und nehmen die erste Gondel zum Jakobshorn. Oben erwartet uns statt sanftem Morgenlicht sanfter Nebel. Aussicht-Geniessen fällt also aus – wir nehmen es pragmatisch: Der fehlende Fernblick gibt uns mehr Trailzeit! Um optimal auf die anstehende Übungs-Session vorbereitet zu sein, hüpfen wir ein wenig auf der Stelle und rotieren Arme und Hüften – auf 2500 Metern ist es um die Uhrzeit doch recht frisch. Im oberen Teil des Alps Epic Trail, den wir schon vom Vortag kennen, suchen wir uns eine Passage mit kleinen Natursprüngen. Antje zeigt uns, wie locker und geschmeidig es aussehen kann, darüber zu fliegen. Dann versuchen wir es ihr gleichzutun. Unsere Motivation ist gross – die meisten schieben mehrmals wieder hoch um die Einladung der Steine zum Abheben anzunehmen. Den Rest des Trails lassen wir es laufen und versuchen, das Gelernte umzusetzen. Unten angelangt, geht es auf der anderen Talseite mit der Parsennbahn direkt wieder hinauf. Die Wolken, die beim Losfahren noch den Himmel verdecken, haben sich zum grössten Teil verzogen, sodass wir mittags am Berg in der Sonne bei bester Sicht picknicken können. Übers Chörbschhorn geht es flowig wieder bergab. Zum Abendessen erwartet uns heute etwas Besonderes – ein Hüttenabend auf der Strela Alp, zu dem wir mit Live Musik empfangen werden.
Tag 4 // Sonntag: Ich fliege über die Grenzen meines Wohlfühlbereiches
Nachdem uns die Übungs-Session gestern so viel Spass gemacht hat, wollen wir das Thema heute vertiefen. Wir fahren zum Gotschna Freeride und üben dort an Anliegerkurven und Tables unsere Technik unter Anleitung unserer Pros Antje, Ines, Franzi und Moni. Beim Table-Springen gibt Ines mir das Feedback, die Bewegung passe vom Ablauf her, ich könne einen stärkeren Auftakt-Impuls geben um höher und weiter zu kommen. Gehört, umgesetzt. Ines Anwesenheit gibt mir Sicherheit – ich gehe vor dem Table tief und strecke mich beim Absprung, sodass ich schön weit fliege – weiter als die vorgesehene Landung. Ich lande gut - beide Füsse bleiben auf den Pedalen. Yay! Jetzt müsste ich einfach die Linkskurve mit Fels auf der rechten Seite bergab nehmen und meine Geschwindigkeit danach etwas reduzieren. Doch mein Tempo flösst mir Respekt ein – statt der Linie zu folgen, fahre ich die Kurve nach rechts hoch um so abzubremsen. Ich stürze. Zum Glück nicht schlimm – ich habe nur eine Prellung und Schürfwunden am rechten Oberarm.
Nach einer Verschnaufpause fahre ich den Table noch zwei, drei mal – allerding mit weniger starkem Impuls – um eine positive Erinnerung zu verinnerlichen. Denn der Sprung – vor allem die Landung – hat sich gut angefühlt! Ich war nur überrascht von meinem Tempo und überfordert, direkt nach der Landung eine abschüssige Kurve zu fahren, von der ich erwartete, mich weiter zu beschleunigen.
Statt mich über den Sturz zu ärgern, freue ich mich über das sichere Gefühl, den Kontakt zu meinem Radl während des Sprungs nicht verloren zu haben und bin erleichtert, dass mir nichts passiert ist (der Felsen hätte den Sturz auch anders ausgehen lassen können).
Mittlerweile ist es Mittag – das Campende naht. Aber nicht, ohne nochmals mit einem Highlight aufzuwarten. Am Schwarzsee tischt uns das Team vom Hotel Grischa alles auf, wonach das hungrige Mountainbikerinnenherz begehrt: verschiedene Salate, gegrilltes Fleisch und Käse, Obst und Kuchen. Idyllischer hätte das Womens Pro Camp nicht enden können.
Meine Erkenntnis: Dialog statt Speed
Und was ist mein Fazit? Ich bin froh, meinen zweiten Gedanken «Das ist nicht meine Liga» beiseitegeschoben und mich angemeldet zu haben.
Speed ist nicht meins, habe ich festgestellt. Technische Stellen hingegen, bei denen es auf die Linienwahl, eine gute Balance und Bikebeherrschung ankommt – daran habe ich Spass. Das ist meins. Ich möchte den Trail geniessen und das kann ich im Moment nur, wenn ich nicht zu schnell fahre. Mein Fokus liegt darauf, noch spielerischer unterwegs zu sein. Wellen und natürliche Sprünge mitzunehmen. Mit dem Untergrund in Dialog treten. Das geht meiner Meinung auch ohne superschnell zu fahren. Und da bin ich ein gutes Stück weitergekommen – vor allem dank meiner Vorfahrerinnen! Das Gefühl, auch bei noch höheren Geschwindigkeiten das Bike unter Kontrolle zu haben, wird sich über die Zeit sicher entwickeln, sodass aus «Dialog STATT Speed» eines Tages «Dialog UND Speed« wird. Diese Zeit gebe ich mir.
Ich persönlich hätte mich über noch mehr Üben am Trail – vor allem Sprünge – gefreut… Dennoch kann ich das Womens Pro Camp allen Mountainbikerinnen empfehlen, die bereits anspruchsvolle Trails fahren, darin noch schneller und besser werden und Spass mit anderen Frauen haben möchten.
Mit schnellen und ambitionierten Frauen auf den Trails unterwegs zu sein, habe ich sehr genossen! Damit meine ich Antje Kramer, Ines Thoma und Franzi Meyer – die Pros, die mit meiner Gruppe unterwegs waren – genauso wie die anderen Teilnehmerinnen. Ich habe tolle Frauen kennengelernt – einige sogar aus München. Ich bin sicher, dass wir uns wieder treffen um gemeinsam zu radeln. Allein für diese anregenden Begegnungen und Kontakte hat sich das Womens Pro Camp für mich gelohnt.
Herzlichen Dank für die Initiative, ambitionierte Profi und nicht Profi Mountainbikerinnen zusammenzubringen und natürlich für die tolle Organisation des Womens Pro Camp an das Team von Fiedler Concepts. Ich bin ganz inspiriert und erfüllt aus dem langen Wochenende zurück nach München gekommen.
Anmerkung: Ich habe kostenfrei an dem Womens Pro Camp teilgenommen. Dennoch spiegeln die geschilderten Eindrücke und Erlebnisse meine persönliche Sichtweise wider.
Hintergrundinformationen / Fragen und Antworten
Was hat das Womens Pro Camp gekostet? Das 4-tägige Camp in Davos hat 615,00 Euro gekostet. Darin waren unter anderem folgende Leistungen enthalten: 3 Übernachtungen mit Halbpension im Doppelzimmer, Lunchpaket, Guiding, Test-Equipment, Bergbahn-Tickets, Workout-Programm, kurze Physiobehandlungen. Selber zu bezahlen sind Getränke und die Anreise.
Gibt es 2019 wieder ein Women’s Pro Camp? Für 2019 ist wieder ein Women’s Pro Camp geplant. Wer Interesse hat, nächstes Jahr mit weiblichen Pros Trails zu fahren und an seiner Fahrtechnik zu feilen, folgt am besten fiedler concepts auf Facebook, denn da werden die Termine veröffentlicht.
Wie gut muss ich Mountainbiken können, um am Women’s Pro Camp teilzunehmen? Das Women’s Pro Camp richtet sich an fortgeschrittene Mountainbikerinnen. Innerhalb dieses fortgeschrittenen Levels wird wiederum in Gruppen unterteilt – schnelles Fahren, ganz schnelles Fahren und noch schnelleres fahren 😉
Die Schweiz ist ja als teures Urlaubsland bekannt. Kann ich auch günstig die Trails in Davos erkunden? Ja, du kannst auch ein (langes) Wochenende in Davos verbringen ohne ein Vermögen auszugeben. Indem du in der Jugendherberge übernachtest! Mehr dazu erfährst du in diesem Blogpost.