Albstadt - wo Mountainbiken Gemeinden verbindet
Mit Rennen habe ich nicht viel am Hut - für mich geht es beim Mountainbiken um Erlebnis und Erholung in der Natur. Nicht um Zeiten oder Kilometerschnitte. Gleichzeitig bin ich ein sehr neugieriger Mensch. Neues, mir Unbekanntes finde ich spannend. Die Gelegenheit, mehr über Albstadt zu erfahren und einen Blick hinter die Kulissen des UCI Weltcup zu werfen, habe ich mir daher natürlich nicht entgehen lassen!
Albstadt gibt es eigentlich gar nicht.
Ich bin bekennender Bahnfahrer. Auch nach Albstadt möchte ich natürlich mit dem Zug reisen. Also suche ich nach einer Verbindung. Albstadt oder Albstadt Hauptbahnhof stehen in der Bahn App allerdings nicht zur Auswahl. Nur Bindestrich-Orte: Albstadt-Ebingen Albstadt-Lautlingen, Albstadt-Laufen... Das hat einen Grund, wie ich später erfahre: Albstadt gibt es eigentlich gar nicht. Wie das mit dem Wörtchen „eigentlich“ so ist - wer „Albstadt“ in Google eintippt, der erhält heute Treffer. Hätte es Google vor 1975 gegeben, wäre das nicht der Fall gewesen. Denn den Namen gibt es erst seit 1975, als sich im Rahmen der Gebietsreform die damaligen Gemeinden Ebingen Tailfingen und Onstmettingen zu Albstadt zusammengeschlossen haben. Heute hat Albstadt insgesamt neuen Stadtteile, die sich auf die früheren Gemeinden verteilen.
Mountainbiken – in Albstadt mehr als Sport: es verbindendet Gemeinden.
Warum erzähle ich euch das? Weil Mountainbiken für Albstadt mehr als ein Sport oder Hobby ist. Es war beim Zusammenwachsen der einzelnen Gemeinden ein verbindendes Element.
1994 - als Albstadt mit Hans-Martin Haller einen mountainbikebegeisterten Bürgermeister hatte - fand ein Mountainbike Marathon statt, dessen Strecke durch die neun Gemeinden führte und bei dem quasi jeder Albstädter involviert war - sei es als Kuchenbäcker, Streckenposten oder Fahrer. Es war einer der ersten Mountainbike Marathons in Deutschland überhaupt und als einmalige Veranstaltung geplant. Bei den Bürgern kam er so gut an, dass er dieses Jahr zum 24. Mal stattfindet. Treibende Kraft ist der Skiclub Onstmettingen, der auch eine grosse Mountainbike-Abteilung hat.
Jedes Jahr stellen die Albstädter mit ihren zahlreichen und bedeutenden Vereinen (die RSG zum Beispiel ist der grösster Bike Verein in Baden-Württemberg) eine Sportveranstaltung auf die Beine, die vor allem wegen ihrer einzigartigen Atmosphäre nicht nur Mountainbiker aus der Region anzieht - 2.500 Fahrer nehmen jedes Jahr teil.
Mountainbiken an schroffen Abhängen.
Mit drei ausgeschilderten Mountainbike Strecken, einem Bikepark mit 4 Lines und einem Pumptrack hat Albstadt allerdings nicht nur was für Marathon- und Weltcupbegeisterte zu bieten. Was wenig klingen mag, ist im Bundesland der 2-Meter-Regel etwas besonderes.
Eine der ausgeschilderten Touren bin ich gefahren: den Alb-Gold Wadenbeisser. Mit unserem Guide Harald starten wir - Tassilo, Christian und ich – an unserer Unterkunft, dem Nägelehaus, direkt unterhalb des Raichberges. Das ist nicht der offizielle Startpunkt der Tour und liegt auch nicht an der Strecke. Die Extraschleife schenkt uns aber ein paar zusätzliche Ausblicke, sodass wir während der ersten paar Kilometer gar nicht richtig ins Fahren kommen. Immer wieder gibt es Sehenswertes: die Hohenzollernburg, der Hangender Stein oder das Lüge Brückle, unter der es 12 Meter in die Tiefe geht. Früher war die Brücke aus Holz und man hat den Kindern erzählt, sie breche beim Darübergehen, wenn sie gelogen haben. Daher ihr Name.
Der flowige Rundkurs (17 km, 520 hm, S1, an manchen Stellen maximal S2) besteht überwiegend aus Naturwegen und hat hier und da gebaute Abschnitte. Er führt über weitläufige Wiesen, durch schattige Wälder und an schroffen Abhängen - dem Albtrauf - vorbei. Die Wege auf dem nordwestlich ausgerichteten Steilabfall der Schwäbischen Alb - auch als Traufgänge bekannt - sind auch bei Wandern sehr beliebt.
No risk. Trotzdem fun!
Während wir uns drinnen im Hofgut “Zum Süßen Grund“ stärken, ziehen draussen Regenwolken auf. So richtig Lust haben ich da nicht auf das Nachmittagsprogramm Bikepark. Zeitgleich mit unserer Ankunft im Bikepark Albstadt fallen die ersten Tropfen. In der Hoffnung, dass der Regen nachlässt oder vielleicht sogar aufhört, warte ich ersteinmal ab und beobachte das Treiben aus dem Trockenen.
Ein paar Teenies drehen unermüdlich eine um die andere Runde. Andere nutzen den Regen um sich mit einer Pizza zu stärken, etwas zu trinken oder lassen es für den Tag gut sein. Ich nehme die Atmosphäre als sehr entspannt und freundlich wahr und fühle mich auch als Gelegenheits-Bikeparkbikerin sehr wohl. Das liegt sicher auch an Renate und Holger Blum mit ihrem Team, die den Bikepark mit Herzblut und Sachverstand seit 2009 betreiben. Als ehemaliger Profi (2006 war Holger Downhill Meister in der Master Class), weiss Holger – und Renate ebenso – was ein Bikepark neben Strecken bieten muss: Stärkung und Erfrischung, aber auch Material – von der Goggle über Leihbikes inklusive Schutzausrüstung bis zum individuell aufgebauten Downhiller aus dem zum Bikepark gehörenden Shop.
Nach einer gefühlten Ewigkeit lässt der Regen nach und ich lassen mich – inzwischen mit Fullface Helm, Rücken-, Ellenbogen- und Schienbein-Protektoren ausgerüstet (Bedingung für die Nutzung des Bikeparks – da sind Holger und Renate streng) – mit dem Schlepplift bequem zum Start der vier Lines mit verschiedenen Schwierigkeitsstufen und vielen Varianten ziehen.
Schon nach der ersten Abfahrt – die Nordschleife – sehe ich schön schlammverspritzt aus. Trotz Trockenheit von oben. Ein paar Abfahrten später fängt es wieder an zu regnen. Da ist es mir grad egal. Ich lifte nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Fahre immer wieder die Nordschleife und den Mini DH. Sprünge lasse ich aus – das kann ich (noch) nicht. Einmal probiere ich auch den Castle Trail – aber der macht an Regentagen keinen Spass: Die Reifen sind nach der ersten Umdrehung voller Erde, sodass ich überhaupt keinen Grip habe. Mit jeder Abfahrt werde ich mehr mit dem Downhiller, den Bedingungen und den Strecken vertraut. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, etwas schneller zu fahren. Wie gerne würde ich das machen! Nässe und Erde halten mich aber ab. No risk. Trotzdem fun!
Albstadt ist nicht nur zum Weltcup oder zum Marathon einen Besuch wert
Zugegeben – Albstadt hatte ich als Mountainbike Destination bisher nicht auf dem Schirm. In den zwei Tagen, die ich dort war, habe ich einiges gesehen, gefahren und erfahren sodass ich jedem, der zum Weltcup oder zum Marathon nach Albstadt fährt, nahelegen kann, ein paar Tage dranzuhängen! Es lohnt sich für alle, die es gerne bergauf-bergab mögen und die Abwechslung zwischen Naturtrails, Pumptrack (den bin ich aus Zeitgründen leider nicht gefahren) und Bikepark mögen!
Anmerkung: Albstadt Tourismus hat mich zu einer Pressereise eingeladen, d.h. kam für Unterkunft inklusive Verpflegung auf, gestaltete das Programm und übernahm Eintrittsgelder und Leihgebühren.
Hintergrundinformationen
Unterkunft: Das Nägelehaus ist eine einfache Unterkunft direkt unterhalb des Raichberges. Das Doppelzimmer mit Frühstück kostet 69 Euro.
Mountainbike Strecken: Beschreibungen der ausgeschilderten Mountainbike Strecken in Albstadt sowie GPS Tracks zum Download gibt es hier.
Bikepark: Öffnungszeiten des Bikeparks, Leihgebühren etc. findet ihr hier. Ein Leihbike inklusive Helm und Protektoren und Liftkarte kostet 99 Euro für einen Tag und 85 Euro für einen halben Tag (2,5 Stunden).
Pumptrack: Der Pumptrack ist in der Waldhornstraße in Albstadt-Onstmettingen, weitere Details gibt es hier.
Albstadt BikeMarathon: Dieses Jahr findet der Albstadt Bike Marathon am 7. Juli statt. Hier findet ihr weiterführende Informationen.
UCI Mountainbike Weltcup Albstadt: Informationen zum UCI Mountainbike Weltcup in Albstadt findet ihr hier.