Zermatt-Geschichten #2: Wie es dazu kam, dass ich einen Vorsatz gebrochen habe
Der Plan: mich auf der Abfahrt anderen early biking birds anschliessen
Und dafür muss ich mich diesmal nicht einmal gross anstrengen! Mein Bike und ich fahren bequem mit der Zahnradbahn auf den Gornergrat hinauf.
Ich bin die einzige Mountainbikerin in der ganzen Bahn. Das war natürlich nicht so geplant – leider ist mein Freund über Nacht krank geworden und liegen geblieben als um 4:45 der Wecker klingelte. Also bin ich alleine um 5:00 von Täsch nach Zermatt geradelt mit dem Plan, mich auf der Abfahrt anderen early biking birds anzuschliessen. Wahrscheinlich bin ich die einzige, die freiwillig auf ein echtes Gipfelerlebnis verzichtet, denke ich, die anderen werden aus eigener Kraft im Dunkeln hoch pedalieren. Noch sehe ich meinen Plan nicht als gescheitert.
Der Himmel – eine perfekte Leinwand mit Gelb/Blau-Verlauf
Aus der Dunkelheit wird Dämmerung. Der Himmel ist wolkenlos – eine perfekte Leinwand mit Gelb/Blau-Verlauf für das Matterhorn, das immer besser zu erkennen ist. Dann fällt schüchtern erstes Licht auf den Berg der Berge. Inzwischen sind wir an der Bergstation angekommen. Dort lasse ich mein Mountainbike stehen und gehe zu Fuss hinauf zu dem Aussichtspunkt hinter dem Hotel (ja, sowas gibt es auf dieser Höhe!). Von dort habe ich einen grandiosen Rundumblick vom Stockhorn und Cima di Jazzi über das Monte Rosa Massiv, Breithorn und Kleinmatterhorn bis zum Matterhorn. Ich kann gar nicht genug bekommen von der Kulisse. Und dann – wie erwartet und doch unvermittelt – blinzelt der erste Sonnenstrahl hinter dem Stockhorn neben dem Monte Rosa Massiv hervor.
Ich bin gebannt. Und verpasse es, diesen flüchtigen Moment fotografisch zu dokumentieren. Egal. Nein - viel besser: So habe ich ihn direkt erlebt, nicht durch die Linse. Während die Sonne langsam und beharrlich höher steigt, habe ich genug Zeit für Fotos – Selfie-Time ;)
Kein Biker weit und breit
Mein Plan geht nicht auf. Ich breche also meinen Vorsatz, nie alleine Trails zu fahren – vor allem nicht in alpinem Gelände. Natürlich ist auch diese Regel nicht ohne Ausnahme: Meine Hausrunde in Basel und die Isartrails fahre ich auch ohne Begleitung. Dort sind immer andere Biker unterwegs – oft sogar Freunde oder Bekannte.
Ich texte meinem Freund, welchen Trail ich nehme und um wie viel Uhr ich etwa im Tal ankommen sollte. Dann rolle ich los. Die ersten paar hundert Meter fühlen sich ungut an. Als würde ich etwas Verbotenes machen. Dabei breche ich nur einen selbstauferlegten Vorsatz.
Nur der Trail. Und ich.
Ich fahre zögerlich und langsam. Doch der Trail rollt toll! Schnell gewinne ich an Sicherheit und fange an, die Abfahrt zu geniessen. 10 Trailkilometer nur für mich! In meinem Tempo! Niemand, der mich entmutigt. Niemand, dem ich etwas beweisen muss. Nur der Trail und ich. An einigen Passagen fordert mich der Trail heraus. Und öfter als gedacht nehme ich die Herausforderung an – meist mit Erfolg! Nur eine – eigentlich fahrbare – S-Kurve will auch beim zweiten Versuch nicht klappen. Da schenke ich mir den dritten Versuch. 1:0 für den Trail.
Kurz vor Trailende fahre ich geradezu auf den perfekten Frühstücksplatz zu. Ich melde mich bei meinem Freund zurück. Und dann gibt es Müsli mit Blick aufs Matterhorn! Von mir aus könnte jeder Tag so beginnen :)
Eckdaten Sonnenaufgangstour
Im Juli und August fährt die Gornergratbahn jeden Donnerstag zum Sonnenaufgang.
Abfahrtszeit: Die Abfahrtszeiten richten sich nach dem Sonnenaufgang und stehen auf der Website der Gornergratbahn.
Kosten: 89 CHF inklusive Frühstücksbuffet im Kulmhotel Gornergrat (Stand: Sommer 2016).
Buchung: entweder online über die Website der Gornergratbahn oder telefonisch bis 16:00 des Vortags direkt beim Kulmhotel Gornergrat (Tel. +41 (0)27 966 64 00)
Trailabfahrt:
Vom Gornergrat führen mehrere Trails hinunter nach Zermatt. Ich bin einen Teil dieses Tracks gefahren und kann ihn sehr empfehlen.
Die Schleife zum 'Hohtälli' hätte mich sehr gereizt, war mir allein in der Höhe in der Früh dann aber doch zu riskant. Ich bin vom Gornergrat direkt über den Grüensee und Ze Gassen nach Zermatt gefahren. Nach dem Frühstück habe ich noch die Schleife zum Zmuttgletscher angehängt.
Aller guten Dinge sind bekanntlich drei - deswegen gibt es auch drei Zermatt-Geschichten. In #1 und #3 erfährst du, warum es ein Highlight sein kann, wenn die Strasse endet und wo es das beste Zimt-Glace gibt - Trail-Leckerbissen inklusive.